hr ins boot holen
11.09.2019
/ Von Sabine Canditt

Teil 2Teil 3

“Schon dieser Name – Human Resources! Menschen sind doch keine Ressourcen!” So oder ähnlich höre ich manche Agilisten sich äußern, wenn es um HR geht. Gleichzeitig fahren sie mit ihrer agilen Transformation gegen den Eisberg. Dass ein agiles Unternehmen mehr ist als nur die IT oder die Produktentwicklung oder die Summe ihrer Scrum-Teams, dürfte sich herumgesprochen haben. Auch HR und seine Aufgaben sind Teil des Unternehmens.

Mit welchen Problemen schlagt ihr euch als Agile Coaches gerade herum? Es sind nicht „die richtigen“ Leute an der richtigen Stelle im Unternehmen? Ihr tut euch schwer, agile Rollen neben oder anstatt von bereits bestehenden Rollen zu definieren? Ihr findet keinen Zugang zu den Managern? Vielleicht kann ja HR helfen, diese Wände einzureißen oder zumindest aufzubohren.

In dieser Blogserie geht es darum,

  • Gründe für eine intensive und frühzeitige Zusammenarbeit zwischen Agilen Coaches und HR herauszustellen,
  • grundlegende Prinzipien für diese Zusammenarbeit zusammenzufassen,
  • anhand von drei HR-Themenfeldern (Sourcing, Leistungsbewertung und Führung) zu erläutern, wie die Umgestaltung im agilen Sinne aussehen kann.

Warum sollten Agile Coaches HR mit ins Boot holen?

„First Who, then What: If we get the right people on the bus, the right people in the right seats, and the wrong people off the bus, then we’ll figure out how to take it someplace great.” Dies ist eine wesentliche Erkenntnis aus den Untersuchungen im Buch Good to Great (In diesem Buch wurden Unternehmen, die über einen Zeitraum von 15 Jahren besonders erfolgreich waren, auf ihre charakteristischen Merkmale hin untersucht.) .Mein ehemaliger Chef Gerhard Hastreiter drückt so aus: „Nichts prägt eine Organisation so sehr wie ihre Personalentscheidungen„. Und genau das ist die wesentliche Aufgabe von HR. Diese Bedeutung habe ich selbst lange unterschätzt. In meiner Zeit in Großunternehmen hatte ich mit HR nur bei Einstellung, Kündigung, internem Stellenwechsel u.ä. zu tun. Der HR-Chef war dem CFO direkt unterstellt – aufschlussreich was den Stellenwert von Finanzen und Mitarbeitern angeht! In vielen kleinen Unternehmen hat HR eine rein administrative Funktion. Wofür die Personalabteilung im einzelnen zuständig ist, ist sehr vom Unternehmen abhängig. Hier eine kleine Auswahl:

  • Mitarbeiter an Bord bringen: Kooperation mit Hochschulen, Employer Branding, aktives Sourcing und Onboarding
  • Mitarbeiter an Bord halten: Aus- und Weiterbildung, Qualifizierungen, Karrieremöglichkeiten aufzeigen und bei der Umsetzung unterstützen, Ansprechpartner und Sparringspartner sein
  • Sich von Mitarbeitern trennen: Planung und Umsetzung von Einzelmaßnahmen und bei organisatorischen Änderungen
  • Führungskräfte unterstützen und beraten: Aufstellung und Änderungen der Organisation, Stellenbesetzungen, Nachfolgeplanung, Talente identifizieren und fördern, Managementinstrumente zur Verfügung stellen (Zielvereinbarungen, Performance Reviews, MItarbeiterzufriedenheit, …), kulturelle Themen (Führungsstil, Werte,..), rechtliche Themen
  • Sonstiges: Personaladministration (Gehaltsabrechnung, Zeiterfassung…), Sozialpartnerschaft mit dem BR, Personalcontrolling

Der Bezug dieser Themen zu einer agilen Transformation ist offensichtlich, oder? Wir erkennen: HR hat Expertise und Ownership in vielen Kernprozessen, die, wenn nicht einbezogen, sehr leicht zum Hindernis bei der agilen Transformation werden können. Also ist HR ein wichtiger Stakeholder, der enge Kontakte zu anderen wichtigen Stakeholdern hat (Management, BR…). Gerade für externe Coaches ist dieses Netzwerk essentiell. Die Personaler kennen viele Aspekte der Unternehmenskultur und können als Sparringspartner allzu träumerisch veranlagten Coaches dabei helfen,  gefährliche Untiefen und Gegenströmungen zu erkennen und zu umschiffen. Wenn wir HR also frühzeitig ins Boot holen, kann uns einiges an Schiffbrüchen erspart bleiben.

Wie sollten Agile Coaches HR mit ins Boot holen?

Zunächst mal: zielgruppengerecht kommunizieren! Die Bedürfnisse unserer HR-Gesprächspartner erkennen und darauf eingehen! Wir können nicht davon ausgehen, dass die HR-Kollegen die agilen Buzzwords kennen. Wenn wir ihnen mit Scrum, Kanban, Produktinkrement und Retrospektiven kommen, werden wir sie eher abschrecken. Mit Stichworten wie Selbstorganisation in Teams und lernender Organisation werden wir eher auf ihr Interesse stoßen. Also: einfache Sprache nutzen, weg von den Praktiken hin zu den Werten und Prinzipien (das gilt auch für den Umgang mit anderen Stakeholdern!).

Da die Aufgaben des Personalwesens und natürlich auch die Menschen, die dort arbeiten, sehr unterschiedlich sind, bediene ich mich eines vereinfachenden Konstrukts. Ich möchte euch Lisa vorstellen, unsere HR-Persona. Sie ist 35 Jahre als und hat einen Master in Psychologie. Sie ist extrovertiert, begeisterungsfähig und kommunikativ. Sie legt viel Wert auf gute menschliche Beziehungen und arbeitet gern im Team. Sie möchte die Arbeitswelt mitgestalten, an interessanten Themen und Projekten mitarbeiten und sich selbst weiterentwickeln. Veraltete Führungsmodelle und starre HR-Tools und -Prozesse sind ihr ein Graus.

Mit einigen unserer agilen Werte werden wir bei Lisa offene Türen einstoßen:

  • Individuals and interactions over processes and tools: Auch Lisa möchte den Menschen in den Mittelpunkt rücken.
  • Responding to change over following a plan: Auch Lisa möchte Veränderungen aktiv mitgestalten.

„Working software“ und „Customer orientation“ hat Lisa bisher nicht so sehr auf dem Schirm. Wie sollte sie auch? Sie sitzt in einer Zentralabteilung, die keinen direkten Anteil am Wertstrom hat. Dies könnte aber eine interessante Weiterentwicklungsperspektive für Lisa sein: das Geschäft des Unternehmens besser zu verstehen. Daher ist es auch wichtig, die – hoffentlich geklärte – Motivation, das „Warum“ der agilen Transformation aus Business-Sicht zu vermitteln. Nicht vergessen: Agil ist kein Selbstzweck, sondern soll dem Unternehmen helfen, seine Geschäftsziele besser zu erreichen. So kann HR nah am Business sein und seinen Beitrag dazu leisten, statt nur Standard-Prozesse zu implementieren.

Wenn wir mit unserer Überzeugungsarbeit erfolgreich waren, haben wir mit Lisa eine starke Partnerin an unserer Seite. Mit ihren Kontakten zu Mitarbeitern und insbesondere Führungskräften kann sie eine neue und spannende Rolle als agiler Change Agent spielen. Und sicher hat sie Ideen, wie sie und ihre Kollegen agile Arbeitsweisen für ihre interne Zusammenarbeit nutzen können, die sie mit eurer Hilfe weiter ausbauen kann.

In den nächsten Teilen dieser Serie werde ich anhand von mehreren Themengebieten Beispiele aufzeigen, die zeigen, was man konkret machen kann.

Interesse an einer Vertiefung des Themas? Dann besuchen Sie unser Training – Agile HR. Wir freuen uns auf Sie und vielleicht kommt Lisa ja auch.

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