22.03.2023
/ Von Sacha Storz

Kanban ist ein beliebter Ansatz für die Optimierung von Flow, Auslastung und Lieferfähigkeit. Manchmal habe ich jedoch den Eindruck, dass Teams und Organisationen Kanban einfach benutzen, weil es modern ist und weil es gut klingt, und belassen es dann dabei, Post-its über ein Whiteboard zu ziehen. Immerhin stellt dieser Ansatz Transparenz her, aber das ist noch kein Kanban.

Kanban basiert auf der Idee, die Arbeit zu visualisieren, ja, aber vor allem auch die im System befindliche Arbeit zu begrenzen — mit sogenannten Work In Progress Limits, WIP Limits. Und dann mit expliziten Regeln zu arbeiten (Policies), z.B. “Zieh immer das älteste Item aus der Selected-Spalte, nicht irgendeines”. Und dann diese Regeln langsam so zu optimieren, dass das optimale Ergebnis entsteht: Flow und Zuverlässigkeit. Erst so entfaltet Kanban seine Wirkung und löst so manches Problem, unter denen fast alle Organisationen notorisch leiden.

Kanban vermeidet Überlastung

Eines der häufigsten Probleme, mit denen Unternehmen konfrontiert sind, ist die Überlastung von Menschen, Teams, ja eigentlich der ganzen Organisation. Wenn zu viel Arbeit zu erledigen ist, sind die Mitarbeiter überfordert und überlastet, Priorisierung ist schwierig, und alles dauert ewig, bis es fertig wird. Kanban reguliert die Arbeitsmenge und zielt darauf ab, Leerlauf zu verhindern und Überlastung ebenso. Flow entsteht nur, wenn die Arbeitslast und die Leistungsfähigkeit (Capability) des Systems zusammenpassen.

Kanban verbessert Lieferfähigkeit und Zuverlässigkeit

Ein weiteres Problem, mit dem Unternehmen häufig konfrontiert sind, ist ein Mangel an sogenannter Predictability, also der Güte von Forecasts und Lieferversprechen. Wenn das Team sagt “Das Arbeitspaket ist in 14 Tagen fertig”, was heißt das dann? 14 Tage? Zwischen 10 und 40 Tagen? Zwischen 20 und 60 Tagen? Oder: Keiner weiß es?

Ohne eine klare Vorstellung davon, wie Durchlaufzeiten und Durchsatz von Teams, Services und Abteilungen sind, ist es schwierig, vernünftig zu planen und pünktlich zu liefern. Kanban hilft, dieses Problem zu lösen, indem es erstens Transparenz über den Status der Arbeit schafft und mit den WIP Limits dafür sorgt, dass ein balanciertes System entsteht: Ein System, in dem Flow herrscht und bei dem ich weiß, wie viel Arbeitspakete in welcher Zeit abgearbeitet werden. Und zwar nicht auf Basis von Bauchgefühl, Würfeln oder Fantasie-Gantt-Charts, sondern auf Basis von einfacher, robuster Statistik.

Kanban stellt Fokus her

Ein weiteres Problem, mit dem Unternehmen häufig konfrontiert sind, ist ein Mangel an Fokus. Wenn der Chef fragt “Was ist mit Arbeitspaket X?”, ist es am besten, man kann antworten: “Klar, Chef, X ist schon in Arbeit.” Die implizite Aussage, dass mit X zusammen noch circa 50 andere Arbeitspakete in Arbeit sind, unterschlägt man besser. Denn das hat zur Folge, dass niemand weiß, wann Arbeitspaket X jemals abgeschlossen wird. Die Kanban-Devise ist deshalb: Stop starting, start finishing! Ohne Fokus kann kein Flow entstehen.

Ein WIP Limit auf dem Pool an Arbeit, die man als nächstes angeht — ganz einfach à la “Was sind die nächsten 5 wichtigen Dinge?!” — führt dazu, dass man viel genauer überlegen muss: Was ist jetzt wichtig? Dieser Fokus ist oft schmerzhaft, aber immer hilfreich. Im Beispiel des Kanban Boards unten sorgt das WIP Limit der Spalte Selected für diesen Fokus. 

Was dazu kommt: Durch die Begrenzung der laufenden Arbeiten und die Konzentration auf die Erledigung von wenigen Aufgaben können sich die Leute auf die derzeit wichtigsten Aspekte und Ziele konzentrieren, es gibt weniger Kontextwechsel, das kommt der natürlichen Arbeitsweise des Gehirns entgegen.

Kanban unterstützt die team-übergreifende Zusammenarbeit

Dass Kanban Transparenz herstellt über die Arbeit, haben wir schon gesehen. Sobald aber mehrere Teams mit Kanban arbeiten, kann etwas Magisches passieren: Teamübergreifendes Kanban hilft uns, indem es uns auf die nächste Flughöhe hebt und die Perspektive auf den Flow erweitert. In diesem Fall spricht man von Skalierung oder skaliertem Kanban.

Die Ergebnisse der einzelnen Teams, also Kanban-Systemen auf Flight Level 1, fließen dann auf Flight Level 2 zusammen zu einem übergreifenden Kanban-System. Auf diesem “Über-Kanban-Board” sieht man das Zusammenspiel aller einzelnen Teams und Services und kann Abhängigkeiten, Priorisierung und Probleme wirkungsvoll behandeln.

Fazit: Kanban ist kein Allheilmittel — heilt aber ziemlich viel! 

Das hier gezeigte Kanban Board stellt exemplarisch dar:

  • WIP Limits (in rot) pro Workflow-Status
    • um Pull zu implementieren und
    • um Überlastung des Systems zu vermeiden und 
    • um hohe Predictability herzustellen: Wir arbeiten immer nur an 10 Work Items gleichzeitig, dafür wissen wir bei denen dann recht genau, bis wann sie fertig sind
  • eine spezielle Service-Klasse
    • oft als sogenannte “Fast Lane” oben auf dem Board implementiert
    • mit der sehr dringende Arbeiten bevorzugt behandelt werden
    • mit einem WIP Limit von 1, weil wenn es zu viele “Silver Bullets” gibt, verlieren sie ihre Wirkung
  • sogenannte Kapazitätsallokation (Capacity Allocation)
    • die dafür sorgt, dass wir zu jedem Zeitpunkt mit 70% unserer Kapazität auf dem “gelben Projekt” arbeiten, mit 20% auf dem blauen und mit 10% auf dem grünen.

Mit ein paar simplen Regeln/Policies und augenfälliger Visualisierung haben wir sehr viel Liefer-Güte in unser Arbeitssystem eingebaut.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Kanban ist ein effektiver Ansatz, der viele der üblichen Probleme von Unternehmen lösen kann. Durch die Visualisierung der Arbeit, die Begrenzung der laufenden Arbeit (WIP Limits) und die Optimierung des Arbeitsflusses auf allen Ebenen hilft Kanban Organisationen, ihre Effizienz, Liefergeschwindigkeit und Termintreue zu steigern und gleichzeitig die Transparenz und Zusammenarbeit zu verbessern.

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