23.03.2023
/ Von Sacha Storz

Wir hatten beim letzten improuv Coach2Coach Open Space eine hochinteressante Session zum Brückenschlag zwischen dem Flight-Levels-Ansatz und dem Kanban Maturity Model (KMM).

Flight Levels setzt oben an, Kanban unten?

Zunächst setzte Alisa Ströbele das Flight-Levels-Konzept in Beziehung zum Kanban Maturity Model (KMM). Ein extrem spannender Teil der Diskussion war: Flight Levels (FLs) steigen eher auf einer höheren Org-Ebene ein, also dem Ende-zu-Ende-Value-Stream oder sogar der Strategie. Wie die einzelnen Teams/Services arbeiten, also mit Scrum, Kanban, X oder Y, ist dabei erst mal unerheblich, denn die E2E-Betrachtung auf FL2 bringt zwangsläufig Flow-Probleme ans Licht und ist dabei pragmatisch und lösungsorientiert: Probleme lösen, statt über Scrum philosophieren. Das heißt: Denken “von oben nach unten”.

Kanban geht, vom KMM und vom Service-Gedanken her, erst mal von den einzelnen Teams aus. Einer Organisation, die auf Maturity-Level 0 (Kultur-Wert: Achievement) lebt, mit einer Werte-Aspiration von Maturity-Level 3 zu kommen (z.B. Fit for Purpose) ist nicht sinnvoll, weil das für die Organisation bzgl. der Lieferfähigkeit, Agilität und den umsetzbaren Praktiken ein viel zu großer Sprung wäre — sie ist noch nicht reif dafür. Sprich: Im Grundkurs Mathe macht man keinen Stoff aus dem LK Mathe. Die Skalierung von Kanban in die gesamte Org hinein über das KMM erfolgt also über die Reifung zunächst der Teams hin zu systemischen Zusammenhängen. Das heißt: Denken “von unten nach oben”.

Was ist wichtiger? Reifung Bottom up oder Top Down?

Die spannende Gretchenfrage in unserer Diskussion war nun: Soll ich das eine vor/nach dem anderen machen? Und was mache ich zuerst?

In einem Fallbeispiel von EOS, das ich mit Bastian Hassloch dargestellt habe, war mein Learning in diesem Zusammenhang: Wir hätten Lieferfähigkeit, Predictability und Flow auf FL1, also der Team-Ebene, früher angehen sollen in unserer Flight-Level-Initiative. Denn die Erkenntnis auf FL2 „Hier ist kein Flow“ löst ja nicht automatisch die Probleme, die Teams auf FL1 mit dem Flow nun mal hin und wieder haben. Sonst würden Scrum Teams ja Sprints, in denen sie keine externen Abhängigkeiten haben, immer abschließen. Tun sie aber nicht. Mangelnder Flow auf FL2 ist also nicht immer und nur ein Problem des Zusammenspiels einzelner Services — es ist m.E. auch die Frage, wie gut diese einzelnen Services gemanaged sind (oder sich selber managen), wie zuverlässig ihre Prädiktion (Forecast) ist usw.

Andererseits wäre es doch auch merkwürdig, wenn man sagt: Wir können uns jetzt noch nicht mit unserer Fit-for-Purpose-Strategie beschäftigen, mit den Business-Risiken, die wir haben, und mit dem Problem Solution Fit unserer Produkte und Services. Nein, nein, bevor wir irgendwas davon machen, müssen erst alle unsere Services/Teams optimalen Flow lernen, super Predictability und Just-In-Time-Replenishment. Zurecht würde die Organisation auf so einen Rat hin sagen: Du spinnst.

Kein “entweder oder”, sondern ein “und auch”

Wie so oft im Leben gilt auch für die beiden skizzierten Ansätze kein erst eins, dann zwei und auch kein entweder oder — sondern ein und auch. Bei einer evolutionären Verbesserung der Organisationsreife müssen wir auf allen Ebenen anfassen: Auf der Ebene der Services und Teams (FL1), der Ende-zu-Ende-Value-Streams und übergreifenden Koordination (FL2) und der Ebene von Portfoliomanagement und Strategie (FL3).

Hier kann das KMM als Analyse und Coaching Tool helfen, angemessene Schritte der evolutionären Verbesserung zu planen und umzusetzen. Und das ergänzend zu den Aktivitäten der Flight Levels.

Das klingt vermutlich trivial, wird aber m.E. in Transformationen gern vernachlässigt. Der Ansatz „Wir rollen jetzt erst mal Agilität in die Teams aus“ ohne über Portfolio nachzudenken, ist nur die halbe Miete — genauso wie eine geniale perfekte Strategie, die an der Execution scheitert, weil auf FL2 und FL1 totales Chaos herrschen.

Das Flight Level Modell als Change-Perspektive

Es braucht also folglich ein Change Team, das alle drei Flight-Levels-Ebenen betrachtet, Zusammenhänge versteht und die Wirksamkeit der einzelnen Change-Interventionen für das Gesamtsystem evaluiert. 

Somit sind Flight Levels auch ein leichtgewichtiges Instrument für die systemische Betrachtung der Organisation: Auf allen drei Ebenen muss Verbesserung und Veränderung ansetzen, und nur im Kontext miteinander werden diese Veränderungen zu Business Agility führen.


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