06.04.2015
/ Von Christoph Mathis

Skalierung, Kultur und Agile Evolution – Teil 1

Teams existieren nicht in einem abschotteten Universum: sie sind Teil eines Organisation und sind entsprechend starken Einflüssen der Organisation ausgesetzt. Wenn man also meint, dass es ausreicht, in einem Team zu arbeiten, um die Kultur nachhaltig zu verändern, steuert auf einen frustrierenden Fehlschlag zu.

Lernen als verstandenes Ziel der Organisation

Die Beschreibungen von beschleunigtem Lernen haben eine gemeinsame stille Voraussetzung: die Organisation als Ganzes versteht die Notwendigkeit des ständigen Lernens.

Das bedeutet, dass

  • Die Aufgabenstellung es überhaupt ermöglicht, Inkremente zu liefern
  • Altlasten und unnötige Komplexität als zu adressierendes Problem verstanden werden
  • Das Team eine gewisse Stabilität haben muss
  • Alte Denkgewohnheiten und andere schlechte Erbschaften regelmäßig bearbeitet werden
  • Die Führungskräfte des Teams verstehen müssen, wie Führung, Motivation und Performance eines Teams zusammenhängen.

Aufgabenstellung und die Fähigkeit, Inkremente zu liefern

Product Owner finden es zunächst regelmäßig schwer, Aufgaben so zu gliedern, dass das Team überhaupt die Möglichkeit hat, am Ende jeden Sprints Werte zu liefern. Dabei ist dies die Schnittstelle, die vielleicht am wirkungsvollsten die Arbeit des Teams mit seiner Aussenwahrnehmung verknüpft: besser, regelmäßigere, zuverlässigere Lieferung in kurzen Abständen wirkt sowohl

  • nach innnen – das Team überprüft seine Arbeit und kann schnell Defizite erkennen und beseitigen
  • nach außen – nichts ist so sehr geeignet, das Vertrauen in die Arbeit herzustellen und damit den Rücken freizuhalten. Die agile Arbeitsweise zeigt ihre positiven Auswirkungen und immunisiert gegen Kontrollreflexe, die der Vorgesetzte haben mag.

Altlasten und unnötige Komplexität

Allerdings ist dies nicht immer so einfach zu erreichen: in der Regel arbeitet man auf der Basis einer bestehenden Code-Basis, die oft zu wenig strukturiert ist, Komponenten zu stark koppelt und oft auch nicht einmal über eine solide Basis an automatisierten Tests verfügt. Eine solche Codebasis zu erneuern ist langwierig und kostspielig.

Bei einer Einführung einer agilen Arbeitsweise müssen sich das Team und die Organisation (konkret: die Vorgesetzten) darüber klar sein, dass eine erhebliche Investition nötig ist, um die Vorteile nachhaltig zu erreichen und zu sichern.

Stabilität eines Teams

Ein weiteres Missverständnis is auch oft zu beobachten: ein Team entspricht nicht immer einem Projekt. Wenn man versucht, zu jedem neuen, vielleicht kleinen Projekt passgenau eine eigene Mannschaft zusammenzustellen, hat man zum einen dauernd eine andere Zusammenstzung der „Teams“, zu anderen führt das dazu, dass jede Person typischerweise in vielen Kontexten arbeiten muss: das ist genau keine Umgebung, in der organisatorisches Lernen begünstigt wird.

Teams sollten stabile, langfristige Organisationseinheiten darstellen, während in vielen Firmen die Projekte wechseln und sich auch zun Teil überlappen. Das stellt die übliche Matrixorganisation auf den Kopf, in der die optimale „Ressourcesnauslastung“ im Mittelpunkt steht.

Denkgewohnheiten und andere schlechte Erbschaften

Eine ganze Menge an Prozeduren kann ein Hindernis dafür darstellen, dass das Team eine gemeinsame Zielstellung und Ausrichtung entwickelt: von der Persönlichkeit eines einzelnen Vorgesetzten bis hin zu Incentives, Karrierebildern, Belohnungssystemen in einer Firma.

Eine Fiktion muss man noch nennen: in vielen Darstellungen von Scrum und anderen agilen Umgebungen steht das gute Team der bösen Aussenwelt gegenüber. Das alte Scrum-Bild von dem Huhn und dem Schwein ist das schönste Beispiel dafür.

Aber die Teammitglieder bilden in ihren Erwartungen und Verhaltensweisen die selben Werte ab, die allgemein in einer Firma gelebt werden:

  • Karriere und Teamverantwortung werden als Konflikt verstanden
  • Schuldzuweisungen sind fast immer der erste Reflex, wenn etwas schief geht

Deshalb ist eine Einführung von Aglität nicht einfach ein neuer Prozess – es ist vielmehr der Start zu einer tiefgreifenden Änderung in der Arbeit und der Zusammenarbeit, in den Erwartunge und den Zielen – kurz gesagt, der Kultur.

Teil 1: Vier Vorteile agiler Teams

Teil 2: Beschleunigtes Lernen ist Team-Lernen

Teil 3: Grenzen der Agilität in einem Team

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