19.07.2016
/ Von Jens Coldewey

Im Dezember 2015 traf sich in Aachen zum fünften Mal die „Supporting Agile Adoption“ Arbeitsgruppe der Agile Alliance, um neue und spannende Themen rund um Agile Transitionen aufzuspüren und zu bearbeiten (ein ausführlicher Bericht über das Treffen findet sich bei der Agile Alliance). Einer der geladenen Gäste war Pieter van der Meché vom Sociokratisch Centrum Nederlande, mit dem wir über Entscheidungssysteme und ihre Bedeutung für Organisationen diskutiert haben. Das Ergebnis dieser Diskussion haben nun Hendrik Esser (Ericsson), Pieter und ich unter Mitarbeit von Anders Ivarson (Spotify) als White Paper unter dem Titel „Decision Making Systems Matter“ festgehalten. das die Agile Alliance letzte Woche publiziert hat (siehe https://www.agilealliance.org/resources/initiatives/supporting-agile-adoption-its-about-change/).

Worum geht es? Entscheidungssysteme – also die Frage, wer wann worüber entscheidet und wie diese Entscheidungen dann in der Organisation Fuß fassen – sind eigentlich ein alter Hut: In der Organisationsentwicklung beschäftigt man sich seit vielen Jahrzehnten mit ihnen und es gibt Theorien, nach denen Entscheidungssysteme das wesentliche Gestaltungskriterium von Organisationen ist. Auch die Soziokratie fokussiert sich auf sie und unterscheidet dabei zwischen zwei Typen von Entscheidungssystemen:

  • Hierachisch: Für jede Art von Entscheidung ist eine einzelne Person in der Organisation definiert, deren Aufgabe es ist, solche Entscheidungen zu treffen. Der betroffene Teil der Organisation setzt diese Entscheidung dann aufgrund betrieblicher Anweisung um („Compliance“). Normalerweise werden aufwändigere Entscheidungen in Gremien und entsprechenden Entscheidungsvorlagen vorbereitet, doch letztlich trifft ein „Entscheider“ die finale Entscheidung und übernimmt damit die Verantwortung. Dies ist das vorherrschende Entscheidungsverfahren in den meisten Organisationen und auch Gesellschaften.
  • Partizipativ: Hier kommt eine Gruppe von Individuen zu einer Übereinstimmung und trifft dadurch eine Entscheidung, die sie auch selbst umsetzt, weil jede(r) Beteiligte hinter der Entscheidung steht („Alignment“). Um Übereinstimmung festzustellen, können formale Abstimmungen erfolgen, Konsens eingefordert werden, oder ein „Konsent“-Verfahren verwendet werden.

Typische Probleme treten nun an der Schnittstelle zwischen (noch immer) traditionellen Unternehmensteilen mit ihren hierarchischen Strukturen und agilen Unternehmensteilen mit ihren partizipativen Elementen auf: Während auf der einen Seite über „Chaos“ und „unklare Verantwortlichkeiten“ geklagt wird, klagt die andere Seite, dass „unsere Selbstorganisation“ nicht respektiert werde und „nicht ausreichend Empowerment“ da wäre. Beide Seiten haben ihre Berechtigung, doch kann man das Problem nicht lösen, indem man einfach eine Seite als moralisch überlegen hinstellt und ihre Ansichten als die einzig richtigen. Stattdessen gilt es, eine Lösung für Schnittstelle zwischen den beiden Entscheidungssystemen zu finden, welche die Stärken beider Seiten fördert, ohne diesen Konflikt weiter anzuheizen. In dem White Paper erkunden wir, in wie weit sich Elemente aus der Soziokratie dafür nutzen lassen.

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