14.04.2023
/ Von Paul Marshall

„This is Lean“ ist ein wunderbares kleines Buch über die Gedankenwelt des Lean, das von zwei schwedischen Wissenschaftlern geschrieben ist, die sich auf Lean spezialisiert haben.

Ich liebe dieses Buch, weil es wirklich unglaublich klar geschrieben ist und den Begriff Lean ohne Rückgriff auf 14 Prinzipien oder 5 Schritte oder ähnlich mühsame Bullet-Listen auf eine sehr einfache Formel bringt. Ich werde es mir so definitiv merken und die darin enthaltenen Gedanken langfristig vertreten können.

Dabei bleibt es im Buch nicht nur bei Gedanken. Zu jedem Punkt gibt es immer spannendes Storytelling, so dass sich die teilweise durchaus abstrakte Materie sehr spannend liest. Man merkt einfach, dass es sich für die Autoren um viel mehr als ein trockenes Thema der Organisationstheorie handelt. Stattdessen steht viel Leidenschaft für wirklich bessere Organisationen und letztendlich bessere Leben der Beteiligten dahinter.

Gleich zum Einstieg werden mit viel Empathie die Geschichten zweier Patientinnen erzählt. Beide begeben sich auf Grund eines Verdachts auf Brustkrebs in die Hände je einer Gesundheitsorganisation, um Gewissheit über ihren Zustand zu erlangen.

Die erste Frau durchleidet nach einer Reihe von Arztbesuchen, Untersuchungen und Laboranalysen, für die jeweils neue Termine nötig sind, ganze 42 Tage Ungewissheit, bis sie zu ihrer Diagnose kommt.

Die zweite Frau geht dagegen zu einer Spezialklinik, die sich genau auf diese Fälle eingerichtet hat und voll auf die Erfahrung der Patientinnen ausgerichtet ist. Hier erhält sie die komplette Serie an Untersuchungen und Analysen fast ohne Wartezeiten und hat ihre Diagnose bereits nach 2 Stunden.

An Hand der beiden Fälle entwickeln die Autoren die beiden zentralen Begriffe des Buches:

„Resource Efficiency“ und „Flow Efficiency“.

Resource Efficiency ist das, was man gemeinhin als Effizienz kennt. Es ist ein Maß für die Auslastung einer potenziell teuren Ressource (Ärzte, MRT-Scanner, Laborkapazitäten etc.). Der Arzt spricht z.B. im Akkord mit jeweils wechselnden Patientinnen, oder der MRT – Scanner läuft von 8:00-19:00 durch. Schließlich sind beide teuer. Ganz ohne Lücken bei der Auslastung läge die Resource Efficiency bei 100% .

Flow Efficiency, worauf offenbar die Spezialklinik optimiert ist, fokussiert dagegen auf den Fluss, mit dem in der Organisation echte Kundenbedürfnisse befriedigt werden. Die Kennzahl setzt diejenige Zeit, in der aktiv an einem Kundenbedürfnis gearbeitet wird, mit der gesamten Durchlaufzeit für die jeweilige Kundin ins Verhältnis. Ganz ohne Wartezeiten für alle Patientinnen wäre die Flow Efficiency der Organisation bei 100%.

Im Buch wird ein Verbesserungsansatz dann als „Lean“ definiert, wenn es sich um eine langfristig angelegte, kontinuierliche Verbesserung handelt, die sowohl Flow Efficiency als auch Resource Efficiency steigert, dabei aber immer bei der Flow Efficiency anfängt und diese höher priorisiert.

Relativ bald zeigen die Autoren, dass die meisten Organisationen heutzutage freie Potenziale haben, beide Formen der Effizienz noch sehr weit zu steigern. Dennoch kommt es ab einem gewissen Punkt zu einer notwendigen Abwägung zwischen den beiden Effizienzen. Irgendwann wird man Puffer lassen und auf maximale Auslastung verzichten müssen, wenn man die Wartezeiten für Kunden immer weiter reduzieren will.

Hier kommt meiner Erfahrung nach der wichtigste Einwand gegen Lean-Ansätze ins Spiel, der bei Entscheidern schnell im Hinterkopf auftaucht und dort seine Wirkung entfaltet:

„Das mit Respekt und Kundenorientierung ist schön und gut. Wenn wir aber zu sehr auf Flow Efficiency achten, verlieren wir letztendlich Geld, sobald wir auf Resource Efficiency in Teilen verzichten müssen. Wir müssen unsere teuren Ressourcen einfach maximal auslasten, weil wir es uns sonst nicht leisten können.“

Im Umgang mit diesem Einwand glänzt das Buch. Die Autoren zeigen anhand vieler Beispiele und Case Studies, wie die typische Fixierung auf Resource Efficiency in aller Regel nur scheinbar zu echter Kosteneffizienz führt, weil durch die steigenden Wartezeiten und unbefriedigten Bedürfnisse der Kunden zusätzliche Aufwände notwendig werden, die bei höherer Flow Efficiency (also kürzeren Wartezeiten) überhaupt nicht nötig wären. In vielen Fällen ist es also doch möglich, mit konsequentem Fokus auf Flow Efficiency und moderatem Verzicht auf Resource Efficiency paradoxerweise sogar mehr fürs gleiche Geld zu schaffen!

Für mich war diese Behandlung des sogenannten Efficiency Paradox das Highlight in dem Buch. Ich bin überzeugt, dass ich diesen Gedanken als Agiler Coach noch oft vertreten werde.

Daher empfehle ich das Buch allen Führungskräften und Coaches wärmstens, die sich mit einer Lean/Agile Transformation beschäftigen oder sich dafür interessieren.

empfohlen von Paul

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