27.04.2020
/ Von Christoph Mathis

Die meisten Organisationen reden zuerst über die Aufbauorganisation oder die Hierarchie und über die strukturellen Einheiten oder Silos. Das wichtigste Ziel hierbei ist Effizienz und Ressourcenauslastung und das war über lange Jahre fast der einzige Gesichtspunkt. Der Grund dafür liegt schilicht darin, dass es eine optimale Struktur ist, wenn Märkte und Umgebungsbedingungen sich nur langsam ändern.

Da sich das geändert hat, kommt einem anderen Prinzip eine ständig steigende Bedeutung zu: dem Flow oder der Ablauforganisation. Wenn ein Arbeitsablauf über mehrere Abteilungen verteilt ist, entsteht an jeder Abteilungsgrenze ein Abstimmungsbedarf und damit eine Grenze, wie schnell Änderungen implementiert werden können. Wenn man also die Ablauforganisation zum dominanten Prinzip macht, wertet man die Schnelligkeit, in der man Änderungen umsetzen kann, tendenziell höher als Kostenoptimierung und Ressourcenauslastung.

Eine Frage der Kosten

Es ist, wie so oft, eine Frage der Kosten – wobei man sinnvollerweise die Kosten arten einbeziehen sollte, die durch die Entscheidung am stärksten beeinflusst werden: die Opportunitätskosten, v.a. die Kosten verpasster Gelegenheiten wegen zu langer Zeiten zur Implementierung von Änderungen versus die Transaktionskosten, v.a. die Kosten, die jedesmal bei einer Änderung anfallen.

Das heisst: ja, schneller zu sein verringert die Latenzzeiten und verringert das Risiko, Geschäft zu verpassen, aber es hat seinen Preis.

Neben dieser pauschalen Betrachtung kann man noch ein paar weitere Kriterien entwickeln, bei denen die beiden Grundideen nebeneinander gestellt werden. Wohlgemerkt: es sind nicht entweder-oder Entscheidungen, sondern Fragen der Abwägung.

Das Zielsystem

Zunächst wollen wir der Frage nachspüren, welche Probleme die jeweiligen Ansätze lösen, also woran sie sich messen lassen wollen:

SiloFlow
Auslastung
ist der zentrale KPI, wenn es um kostspielige Ressourcen geht.
Flexibilität
zählt umso mehr, wenn sich die Anforderungen schnell ändern und wenn Reaktionszeit wichtig wird.
Kosten
Kostenoptimierung ist eng mit Standardisierung und Skaleneffekten vernküpft. Sie sind auch ein wichtiger Treiber für Standardisierung und Serienfertigung.
Zykluszeit
ist im Lean-Universum zu Recht eine der zentralen Messgrößen. Sie ist darüber hinaus ein mächtiges Instrument, um Optimierungspotential zu identifizieren.

Offene Fragen

Wenn man die Prioritäten von der anderen Seite betrachtet, also versucht, die Defizite zu benenne, werden einige Aspekte noch besser deutlich:

SiloFlow
Durchlaufzeit
Verschiedene Planungsinstanzen brauchen eine Vorlaufzeit zur Koordination





Konsistenz
Das Verfolgen konsistenter Ziele in der gesamten Organisation benötigt zentrale Vorgaben oder Vereinbarungen. Das führt in größeren Organisationen zu einer Hierarchie, um den Kommunikationsaufwand im Griff zu behalten
Agilität/ Reaktionszeit
Abstimmungsaufwand, wenn ein Arbeitsablauf Abteilungsgrenzen überschreitet.





Skill
Wenn Menschen mit gleichen Kompetenzen in verschiedenen cross–funktionalen Teams verstreut sind, muss gewährleistet werden, dass die Weiterentwicklung und das Teilen und Übernehmen von Erfahrungen (also auch Standisierung) vorangestrieben werden.

Wie skaliert die Struktur

SiloFlow
Finde die Niere
Das ist ein eingängiger Ausdruck aus dem SAFe Framework. Er sagt, dass es manchmal schwer ist, die Wertströme in einer großen Organisation mit vielen Produkten und shared Services aufzufinden.


Netzwerk von Flows
In einem größeren Massstab finden sich mehrere Wertströme oder Flows, mit unterschiedlichen Taktzeiten und wiederum komplexen Abhängigkeiten. Eine große Herausforderung ist die Vereinfachung dieser Beziehungen mit dem Leitbild, den gesamten Ablauf end-to-end zu betrachten.

Es zeigt sich, dass eine der Entscheidungen mit den tiefsten Konsequenzen, die nach der strukturellen Ausrichtung der Organisation, gar nicht so einfach zu treffen ist. Es ist nicht die Frage nach gut und böse, als die sie manchmal stilisiert wird.

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