12.04.2019
/ Von Jens Coldewey

Agile Transitionen sind mittlerweile aus der Innovatorenecke herausgekommen und die meisten größeren Organisationen haben eine oder mehrere Initiativen laufen, um „Agilität einzuführen“ – was immer das im konkreten Fall heißen mag. Es ist inzwischen auch klar, dass es bei weitem nicht damit getan ist, Scrum in ein paar Teams zur Softwareentwicklung einzuführen. Die Einführung von Agilität berührt viele Aspekte einer Organisation: Wie werden Budgets verteilt und überprüft? Wie werden persönliche Ziele festgelegt? Nach welchen Kriterien wird die Organisation wirtschaftlich geführt? Wie funktionieren Governance und Controlling in einer agilen Organisation?

Agile Vorgehensweisen hatten nie den Anspruch, Antworten auf alle diese Fragen zu finden. Ansätze zur Skalierung wagen sich ein wenig in diese Bereiche vor: SAFe geht bis in die Portfolioplanung und Kanban leistet mit seinen Überlegungen zu „Fit for Purpose“ und Operations Reviews Beiträge zur Unternehmenssteuerung. Fragen der klassischen Unternehmenssteuerung werden aber bewusst offengelassen.

Glücklicherweise ist Agilität aber nur ein Mitglied einer ganzen Reihe von Bewegungen, die sich seit den 1990ern damit beschäftigen, Unternehmen flexibler, schneller und oft auch menschlicher zu machen. Wenn es an Fragen der Unternehmenssteuerung geht, finde ich Beyond Budgeting eine der spannendsten Bewegungen und das aus mehreren Gründen:

  • Beyond Budgeting liegt ein Wertesystem zugrunde, das dem agilen Wertesystem sehr ähnelt. Beide legen den Fokus auf die Kunden, sie gehen davon aus, dass Mitarbeiter grundsätzlich gute Leistung bringen wollen und nicht von ihren Vorgesetzten zur Arbeit gezwungen werden müssen und sie sehen Lernen als wesentliche Fähigkeit einer Organisation.
  • Beyond Budgeting kommt aus einer Community von Controllern, also denen, deren Aufgabe die Steuerung von Unternehmen ist.
  • Beyond Budgeting wird seit zum Teil über 25 Jahren in verschiedenen großen Unternehmen vor allem in Skandinavien verwendet, um die Probleme klassischer Governance zu vermeiden. Unter ihnen befinden sich lokale Champions, wie die Svenska Handelsbanken in Schweden und internationale Schwergewichte, wie Equinor – ehemals Statoil – in Norwegen.

Der Name „Beyond Budgeting“ ist verwirrend, weil er suggeriert, es ginge nur um die Ablösung von Budgetierungsritualen. Selbst große Beratungshäuser verbreiten die (falsche) Auffassung, Kern von Beyond Budgeting wäre ein rollierender Budgetierungsansatz. Stattdessen besteht Beyond Budgeting im Kern aus sechs Führungsprinzipien und sechs Management Praktiken, die häufig als die zwölf Prinzipien des Beyond Budgeting referenziert werden.

Einen tieferen Einblick bieten die zwölf Videos auf https://bbrt.org/the-beyond-budgeting-principles/12-beyond-budgeting-pr…, in denen die Mitglieder des Core Teams, das sich der Weiterentwicklung von Beyond Budgeting verschrieben hat, die einzelnen Prinzipien erklären.

Wenn also die agile Transition an ihre organisatorischen Grenzen stößt, könnte es sinnvoll sein, wenn sich die Unternehmensführung Beyond Budgeting ansieht. Es hilft nicht nur, Hindernisse gegen Agilität aus dem Weg zu räumen, sondern dürfte auch einige weitere Probleme in anderen Bereichen der Organisation zu lösen, selbst wenn diese in die Agile Transition gar nicht involviert sind.

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